Hinzuschätzung aufgrund von Buchführungsmängeln

Ein Unternehmer kann durch das Finanzamt einer Hinzuschätzung unterzogen werden, wenn seine Buchführung formelle oder materielle Mängel aufweist. Dies geschah im Fall eines Kioskbetreibers, der unter anderem Lotto und Nahverkehrstickets anbot. Das Finanzamt stellte Mängel in der Kassenführung und Abweichungen bei den Aufzeichnungen fest und schätzte 5 % auf die Umsätze hinzu. Das Finanzamt ist zu einer (Hinzu-)Schätzung u. a. dann berechtigt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er führen müsste, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung der Besteuerung wegen Mängeln nicht zugrunde gelegt werden kann.
Eine Nachkalkulation (innerer Betriebsvergleich) war aufgrund fehlender Unterlagen, wie Preislisten, nicht möglich.
Auch die Richtsatzsammlung (äußerer Betriebsvergleich) konnte nicht angewendet werden, da sie zu höheren Zuschätzungen geführt hätte. Das Finanzamt setzte daher einen Unsicherheitszuschlag an, der maximal 20 % betragen darf. Im konkreten Fall wurde ein Zuschlag von 5 % als angemessen erachtet, da der Betrieb bargeldintensiv war und die Verletzungen der Mitwirkungspflichten erheblich, jedoch nicht gravierend waren.
Hinweis: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem laufenden Revisionsverfahren erhebliche Zweifel daran geäußert, ob die Richtsatzsammlung der Finanzverwaltung weiterhin als zuverlässige Schätzungsgrundlage für die Ermittlung von Rohgewinnaufschlägen und Rohgewinnsätzen verwendet werden kann. Die Richtsatzsammlung dient der Steuerbehörde als Orientierung, um den Rohgewinn vergleichbarer Betriebe einer Branche zu ermitteln und auf den Steuerpflichtigen anzuwenden. Diese Sätze sind für die Schätzung des zu versteuernden Einkommens in bestimmten Fällen von Bedeutung.
Der BFH hat in seinem Verfahren die Auffassung vertreten, dass es unklar ist, ob die angewandten Rohgewinnaufschlagsätze bzw. Rohgewinnsätze noch den tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten entsprechen. Daher wurde das Bundesfinanzministerium aufgefordert, eine genauere Erklärung darüber abzugeben, wie die jeweiligen Rohgewinnsätze bzw. -aufschläge zustande kommen und auf welchen Daten sie beruhen.
Diese Entscheidung könnte weitreichende Auswirkungen auf die Anwendung der Richtsatzsammlung in der Praxis haben, falls sich herausstellt, dass die verwendeten Werte nicht ausreichend fundiert sind oder nicht den aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen entsprechen. Eine Klärung des BFH könnte die Praxis der Steuerprüfung in vielen Bereichen, insbesondere in der Betriebsprüfung und Schätzung von Einkünften, beeinflussen.
Quelle: FG Düsseldorf, Urteil vom 11. Juni 2024 – 11 K 2308/19 U